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1 Open Educational Resources (OER) kennen lernen – Was ist das und warum braucht man sie?

Herzlich willkommen in der Lerneinheit zu offenen Bildungsmaterialien, häufig auch als Open Educational Resources (OER) bezeichnet. Sie richtet sich vornehmlich an Personen, die sich im Bereich Hochschulbildung bewegen, also Lehrende, Studierende, Hochschuldidaktiker*innen, Mitarbeitenden von E-Learning-Zentren sowie weitere Verwaltungsbeschäftigte in diesem Kontext. Allerdings sind die Lernziele für alle Personen relevant, die ihre digitalen Kompetenzen erweitern möchten, unabhänging davon, ob sie im Bildungssektor tätig sind oder nicht. 
In diesem ersten von sieben Kapiteln lernen Sie das Konzept, die Definition von OER kennen, die Merkmale wie offene Lizenzierung sowie die daraus entstehenden Freiheiten und die Geschichte von offenen Bildungsmaterialien. Zum Schluss des Kapitels setzen Sie sich mit der bildungspolitischen Rahmung auseinander, sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene. 
Jedes Kapitel beginnt neben der Aufzählung der Inhalte mit einem Video, in dem sich Bildungsakteure mit dem Thema OER beschäftigen. Im folgenden Video (Dauer ca. 3 Min.) erfahren Sie die ersten Informationen über das Konzept von OER und erhalten eine Idee der Nutzung aus der Sicht von Hochschullehrenden. Die Idee gilt dennoch auch für Arbeiten von Lernenden, seien es Schüler*innen oder Studierende oder für Personen mit anderen Aufgaben im Bildungssektor. Starten Sie zusammen mit Professorin X und Doktor Y eine OER-Entdeckungstour. 

Das Konzept der Open Educational Resources

Haben Sie für eine Lehrveranstaltung einfach schon mal nach passenden Bildern für eine Präsentation gesucht oder sich manchmal gefragt, ob zu einem bestimmten Grundlagenthema nicht eigentlich schon viele Präsentationen oder andere Lehr-Lernmaterialien wie Videos oder Übungsblätter vorhanden sein müssten? Als Lehrende*r könnten Sie diese als Quelle für die eigenen Veranstaltungen benutzen und als Studierende*r hätten Sie mehr Wege, wie Sie die gewünschten Kenntnisse und Kompetenzen erwerben.  Es gibt sehr viele Szenarien, warum Lehrmaterialien oder Teile davon, die andere erstellt haben, großen Nutzen hätten. Und es wird sicherlich auch vorkommen, dass Sie ein passendes Erklärvideo oder eine anschauliche Grafik (im Internet) gefunden haben. Sie würden es gern nutzen, vielleicht vorher für das Seminar anpassen.
Aber wie sieht es mit dem Urheberrecht aus? Eigentlich muss man davon ausgehen, dass Werke, also Bilder, Texte, Videos, Musik etc., – auch wenn sie im Internet zu finden sind – urheberrechtlich geschützt sind und nicht ohne Weiteres benutzt werden dürfen (siehe bspw. §15 und §31 des Urheberrechtsgesetzes). Das bedeutet, dass eine Kopie (was Herunter- oder Hochladen ist), grundsätzlich nur mit der Zustimmung des Urhebers oder der Urheberin (oder entsprechender Nutzungsrechteinhaber wie Verlage) erfolgen kann. Das gilt entsprechend für jedwede Bearbeitungen des Werkes. 
Grundsätzlich ist jede Kopie verboten, außer man hat eine explizite Erlaubnis dafür. Die Abwesenheit eines ©-Zeichens stellt keine Erlaubnis dar. Die Verwendung eines Copyrightzeichens ist nach deutschem Recht für den urheberrechtlichen Schutz ohne Bedeutung.
Um eine Lösung für diese Problematik im Kontext von Bildung und Unterricht zu finden, ist das Konzept der offenen Bildungsmaterialien (OER, Open Educational Resources) entstanden: Sie sind nicht nur kostenlos zugänglich, sondern dürfen auch bearbeitet und weiterverbreitet werden. Und das urheberrechtskonform.
"Open Educational Resources (OER) sind Lern-, Lehr- und Forschungsmaterialien, in jedem Format und Medium, die gemeinfrei sind oder urheberrechtlich geschützt und unter einer offenen Lizenz veröffentlicht sind, wodurch kostenloser Zugang, Weiterverwendung, Nutzung zu beliebigen Zwecken, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Andere erlaubt wird." (UNESCO-Empfehlung zu Open Educational Resources, 2019)
Grundsätzlich sind OER – wie der Definition zu entnehmen ist - nicht an eine Erscheinungsform gekoppelt und können sowohl digital als auch analog sein. Doch aufgrund der Idee des Teilens, Verbreitens und Veränderns, die OER zugrunde liegt, sind digitale Medien und damit auch das Internet der bevorzugte „Lebensraum“ von OER.
Offene Bildungsmaterialien umfassen nicht nur Kursmaterialen wie Arbeitsblätter oder Bücher, sondern können beispielsweise auch Kurskonzepte, Lehrpläne, E-Learning-Einheiten und anderes sein - eben alle Arten von Ressourcen, die zu Bildungszwecken eingesetzt werden können. Auch Medien wie Bilder oder Videos, die nicht ursächlich als Lehr-Lernmaterial konzipiert wurden, aber in ein solches eingebettet werden, können zu OER werden. 

Merkmale von OER

Vier Symbole mit Unterschriften links vom Gleichheitszeichen, ein Symbol (Dokument) rechts vom Gleichheitszeichen. Symbole und Unterschriften links: Symbol für Creative-Commons-Lizenzen: "Offene Lizenz", offenes Vorhängeschloss:  "Offenes Dateiformat",  Fernglas "Automatische Auffindbarkeit", Dreieck: "Didaktische Kontextualisierung"
Es gibt bei der Erstellung und Veröffentlichung von freien Bildungsmaterialien einige Aspekte zu beachten. Diese Aspekte stehen eng mit den vier grundlegenden Merkmale von OER in Verbindung. Die Beachtung dieser Merkmale können zu hochwertigen Bildungsmaterialien führen und gewährleisten einen OER-Standard. Im Folgenden werden diese Merkmale kurz erläutert. Eine tiefergehende Auseinandersetzung findet im Laufe der Kapitel dieser Lerneinheit statt. 
OER sind freie Bildungsmaterialien, die mit einer offenen Lizenz versehen sind, die Dritten explizit Nutzungsrechte einräumt. Erst durch diese offene Lizenzierung wird das Material weiterverwendbar. Die offene Lizenzierung stellt folglich das zentrale Merkmal dar, das OER kennzeichnet. Gerade das Lizenzsystem Creative Commons bietet im Bildungskontext viele Vorteile, da die Urheber*innen durch entsprechende Lizenzbausteine differenziert entscheiden können, welche Rechte sie Dritten an ihrem Bildungsmaterial einräumen möchten.
Die Nutzung von OER erfolgt also nicht im „rechtsfreien Raum“. Sie basiert auf rechtsgültigen Verträgen, die allerdings den Vorteil haben, dass sie nicht im Rahmen einer individuellen Transaktion (Vertragsverhandlung, Vertragsschluss), sondern „automatisch“ zustande kommen. Wird gegen die OER-Nutzungsvereinbarung verstoßen, sind die üblichen rechtlichen Möglichkeiten eröffnet, dagegen vorzugehen.
Man erkennt OER an offenen Creative-Commons-Lizenzen. Diese lernen Sie in Kapitel 2 kennen.
Stilisierte Seite mit Text, darüber eine Lupe, in der eine Creative-Commons-Lizenz vergrößert ist
Ein weiteres zentrales Merkmal von OER ist die Verwendung von offenen Dateiformaten. Diese ermöglichen (unter Berücksichtigung des Lizenztextes) die Nachnutzung und Bearbeitung der Materialien. Daher ist der Rückgriff auf weitverbreitete Werkzeuge und Open Source Anwendungen bei der Erstellung sowie die Speicherung der Materialien in möglichst offenen Dateiformaten von Vorteil. Hierzu erfahren Sie mehr im Kapitel 6.
Freie Bildungsmaterialien sollten möglichst einfach und mit wenig Rechercheaufwand gefunden werden und deshalb möglichst gut beschrieben sein. Hierfür sind prägnante Titel, Beschreibungen und Schlagworte, die Lizenzauszeichnung sowie die Name(n) der Autor:innen relevante Angaben. Diese Informationen werden auch Metadaten genannt und sorgen für die Möglichkeit der standardisierten, maschinellen Suche. Auch die Metadaten werden in Kapitel 6 näher erläutert.
Materialien, die für den Bildungskontext erstellt werden, sind für spezifische Zielgruppen und Lehrkontexte konzipiert. Diese Informationen sind häufig nur implizit in den Bildungsmaterialien enthalten, sind aber wichtig für eine erste Einschätzung des Materials von Seiten der Personen, die sie nachnutzen möchten. Das Explizieren von Kontextinformationen für den Lehreinsatz erleichtert die Einschätzung der Passung der Bildungsmaterialien für den jeweiligen Lehrkontext. Damit erhalten Hochschullehrende einen Überblick über den didaktischen Gehalt der Bildungsmaterialien und können davon ausgehend die Verwendung in den eigenen Lehrkontext planen.
Zur Orientierung ist es hilfreich, Angaben über den didaktischen Umfang und die didaktische Ausrichtung des Bildungsmaterials zu erhalten. Dies kann mit der Einordnung des Bildungsmaterials in verschiedene Inhaltstypen, wie kleinteiliges Lehrmaterial, aufgabenorientiertes Material, Lektion oder Kurs, erfolgen. So erhalten Nachnutzende einen ersten Überblick über den Umfang des Lehrmaterials.
Um Nachnutzende dabei zu unterstützen, die Passung der Materialien in einen anderen Lehrkontext einzuschätzen, ist die Darlegung von Kontextinformationen zentral. Geben Sie Hinweise zu dem Veranstaltungsformat und der Zielgruppe, für die das Material primär konzipiert wurde, erläutern Sie didaktische Funktionen und hinterlassen Sie einen Erfahrungsbericht, der auf Erfolgsbedingungen bei der Materialnutzung eingeht.
Zeichnung: vier bunte Holzkisten übereinander, kleinste Kiste oben, größte Kiste unten. Bilder auf den Kisten von oben nach unten: Apfel, Apfel mit Kerngehäuse, Zweig mit zwei Äpfeln, Baum mit Äpfeln

Die Freiheiten von offenen Bildungsmaterialien

Vor allem durch das oben genannte Merkmal der offenen Lizenzierung bieten OER Nachnutzenden einige Freiheiten, die ansonsten aufgrund des geltenden Urheberrechts nicht gegeben sind. 

Kreislauf von OER

Zeichnung, in der Mitte die Weltkugel mit Aufschrift "OER, Freie Bildung", drumherum einzelne Felder angeordnet mit den Überschriften: "OER, was ist das", "OER finden", OER nutzen", "OER erstellen", "OER veröffentlichen"
Natürlich ist es nicht nur praktisch, sondern auch lehrreich, wenn man Materialien anderer nachnutzen und sogar modifizieren kann. Im Bildungskontext ist die Anpassung von Lehr-/Lernmaterialien an Zielgruppen und Lehrsettings sehr relevant. Damit aber OER verfügbar sind, muss sie jemand geteilt haben. Das ganze Konzept kann also nur dann funktionieren, wenn es nicht nur Nachnutzende, sondern auch Erstellende gibt.
Der OER-Kreislauf sieht also im besten Fall vor, dass Person A Material erstellt und teilt, Person B es nutzt, eventuell anpasst und das angepasste Werk wiederum teil. Besonders wünschenswert ist, wenn Person A von Person B ein direktes konstruktives Feedback erhält. So kann kollaborativ Lehrmaterial und damit die Lehre an Hochschulen verbessert werden. Außerdem kann über solch einen Austausch auch fachliche Kommunikation stattfinden. Also genau das, was in der Wissenschaft erwünscht ist.
Der Aufbau dieses OER-Lernangebots orientiert sich an den Schritten aus der obigen Darstellung. Auf konstruktives Feedback wird zwar nicht gesondert eingegangen, behalten Sie das aber im Auge, insbesondere, wenn Sie komplexere Lehrmaterialien anderer nutzen. 
Reflexionsaufgabe:
  • Wann haben Sie das letzte Mal Werke anderer für Ihre Veranstaltungsmaterialien genutzt (unahängig davon, ob Sie als Lehrende*r oder Studierender*r etwas vorbereiten mussten, z. B. Präsentation)?
  • Worum hat es sich gehandelt, z. B. ein Bild, Text, Video, Quiz, Spiel, Arbeitsblatt, Musik, Podcast?
  • Haben Sie schon mal Werke, die Sie selber erstellt haben, mit anderen geteilt? Warum ja, warum nein?
  • Wenn Sie an Ihre aktuellen Materialien denken, was könnte für andere nützlich sein?

Entwicklung und aktuelle bildungspolitische Rahmung von OER

Schauen Sie sich die Geschichte von OER mithilfe der Zeitleiste an. (Mit gedrückter linker Maustauste kann der Zeitstrahl vorwärts und rückwärts bewegt werden.) Wenn Sie mehr Informationen über ein bestimmtes Ereignis erfahren möchten, klicken Sie auf das entsprechende Feld, die Beschreibung wird oberhalb der Zeitleiste eingeblendet. Lesen Sie die Open Cape Town Declaration (Links in der Beschreibung. Info: die Universität zu Köln ist z. B. eine der unterzeichnenden Institutionen). Lesen Sie ebenfalls das Kapitel "OER-Kompetenz pädagogischer Fachkräfte verankern und aufbauen" der OER-Strategie des BMBF (S. 8-9). Verschaffen Sie sich einen grundlegenden Überblick über die Handlungsfelder der BMBF-Strategie. Für die nachfolgende Aufgabe ist es praktisch, die Tabs/Reiter des Browsers mit der Cape Town Declaration sowie der OER-Strategie offen zu lassen. Eine barrierearme Fassung der Darstellung der OER-Geschichte finden Sie weiter unten.
  • Video "Was sind OER?" von OERinform, CC BY-SA 4.0
  • Aus dem Portal EULE des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, Lernpfad "Offene Lernmaterialien (OER) finden und in der Weiterbildung nutzen", lizenziert unter CC BY-SA 3.0 DE stammen folgende Inhalte:
    • Text "Was zählt zu OER" (mit leichten Änderungen)
    • Text "Woran erkenne ich OER" (mit leichten Änderungen)
    • und im Abschnitt "Merkmale von OER das Bild "Die CC-Lizenzen unter der Lupe"
  •  Umdrehkarten-Übung
    • Bei dieser Aufgaben handelt sich um ein so genanntes H5P-Element, wovon in der gesamten Lernzeinheit zu OER viele eingesetzt werden. Die Quellen der dort befindlichen Werke (Bilder, Texte, Videos) sowie die Autorenschaft werden innerhalb dieser Aufgaben ausgewiesen. Man kann diese Daten einsehen, indem man auf die Schaltfläche "Nutzungsrechte" in der unteren linken Ecke klickt. H5P-Elemente können separat veröffentlicht und geteilt werden, so dass das Anbringen der Quellenangaben innerhalb deser Elemente besonders nachnutzendenfreundlich ist. 
  • Abschnitt "Merkmale von OER"
    • Text: Leitfaden "Teilen von Bildungsmaterialien" von OER-Portal Twillo, CC BY 4.0., mit leichten Änderungen am Text (häufig Ersetzung des Wortes Lehrende durch neutralere Ausdrücke wie Nachnutzende zwecks Ansprache einer weiteren Zielgruppe dieser Lerneinheit). 
    • Aus gleicher Quelle stammen die Bilder "Merkmale von OER" sowie Granularitätsstufen.
  • Abschnitt "OER-Kreislauf" stammt das Bild "OER-Inhalte Basis" von Bianca Geurden | Universität Siegen für Netzwerk Landesportal ORCA.nrw, CC BY 4.0